Die Gaststätte an der Grenze
Suderwick – Dinxperlo 1963 – 2023: 60 Jahre Wiedervereinigung Suderwick
Am 1.8.2023 ist es 60 Jahre her, dass das 1949 unter niederländische Auftragsverwaltung gestellte und 14 Jahre zu Dinxperlo gehörende Suderwick-West wieder deutsch wurde.
Suderwicker und Dinxperloer Vereine erinnern gemeinsam mit Interviews, verschiedenen Aktivitäten und einem deutsch-niederländischen Noaberfest an die „Wiedervereinigung“.
Lesen Sie HIER den originalen BBV-Artikel von Daniela Hartmann:
Dank an das BBV (Bocholter Borkener Volksblatt) und Daniela Hartmann für die Veröffentlichung auf dieser Website. Erscheinungsdatum BBV-Artikel: 27. Juni 2023.
Die Gaststätte an der Grenze
Die Familie von Konrad Elting (81) betrieb viele Jahre lang die Gaststätte „Zur Post“ am Hellweg in Suderwick. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrten dort sowohl niederländische als auch deutsche Besucher ein…..
BOCHOLT-SUDERWICK Eigentlich wollte Konrad Eltings Mutter gar keine Gaststätte betreiben. Doch zum Haus der Familie am Hellweg gehörte eine Konzession.„Das war damals ein richtiger Wertteil“, sagt Elting. Damit die Konzession nicht verfiel, öffnete die Mutter des Suderwickers dann 1949/50 die Gastwirtschaft „Zur Post“. Später betrieben Elting und seine Frau die Gaststätte selbst 15 Jahre lang. Heute ist dort das Steakhouse „El Borashon“.
Konrad Elting wurde 1942 in Anholt geboren. „Mein Vater hat mich im letzten Fronturlaub gezeugt und das erste Mal gesehen, als ich drei Jahre alt war“, berichtet Elting. Dass die Deutschen den Zweiten Weltkrieg gewinnen könnten, habe sein Vater nicht geglaubt. Zu Eltings Mutter habe er gesagt: „Else, das mit dem Endsieg gibt nichts.“ Aus diesem Grund baute er hinten, im zugewachsenen Teil des Gartens einen Bunker. Unbemerkt übrigens von den 30 SS-Leuten, die bei El-tings Großmutter zwangseinquartiert worden waren, berichtet der 81-Jährige und lacht.
Wie Niederländer behandelt
Als Konrad Eltings Einschulung bevorstand, lebten Eltings Eltern mit seinen beiden älteren Geschwistern in Suderwick. Elting selbst wohnte wohlbehütet bei seiner Oma in Spork, wie er sagt. Kurz vor der Einschulung wurde Elting von seinem Vater in Spork mit dem Fahrrad abgeholt. Von nun an sollte Elting wieder in Suderwick wohnen. Doch dieser Wechsel fiel ihm schwer.„Schrecklich fand ich das, als mein Vater mich da wegholte. Ich habe bis Suderwick geheult, aber es nutzte ja nichts“, erinnert sich Elting.
In Suderwick wurde Konrad El-ting in der evangelischen Volksschule eingeschult – und das, obwohl er selbst katholisch war. Für die katholischen Kinder wurde also an der evangelischen Schule eine Klasse eingerichtet. „Wir durften nicht mit den evangelischen Kindern zusammenkommen“, sagt Elting. „Wenn ein evangelisches Kind auf die Toilette ging, durften wir nicht nach und umgekehrt.“ Als Schüler hatte Elting auch einen Pass, in dem stand, dass er Deutscher sei, aber wie ein Niederländer behandelt werde.
Als seine Mutter nach dem Zweiten Weltkrieg die Gaststätte „Zur Post“ öffnete, gingen dort Deutsche und Niederländer ein und aus. Dass eine Deutsche die Kneipe leitete, störte niemanden. „Das war immer gerappelt voll mit Niederländern“, erinnert sich Konrad Elting. Getrunken wurde Bier aus Flaschen und Schnaps mit Zucker. Die guten Kontakte zu den Niederländern rührten auch daher, dass Eltings Vater Laurenz bei der Gemeinde Aalten arbeitete. Dies sei Teil der Reparationsleistung gewesen. Trotzdem sei sein Vater dort sehr freundlich und wertschätzend behandelt worden, betont Elting.
An die Zeit, als Suderwick-West zu den Niederlanden gehörte, hat Elting gute Erinnerungen. „Wir Kinder sind von der Gemeinde zum Gymnastikkurs eingeladen worden. Das war alles kostenlos“, sagt der 81-Jährige. „Wir hatten nie so eine schöne Nachbarschaft wie zu der Zeit, als wir zu den Niederlanden gehörten.“ Zudem seien die Niederländer netter zu den Kindern gewesen. Elting erinnert sich daran, dass er von seiner Mutter schon mal zum Laden geschickt worden war, um etwas zu kaufen. Im deutschen Laden hätten sich die Erwachsenen immer vorgedrängelt und die Kinder warten lassen. „Wenn man dann nach Hause kam, fragte Mutter, wo ich so lange gewesen bin.“ Das sei in den Niederlanden anders gewesen. „Da stand ich als Dreikäsehoch und wartete und ein Mann sagte, dass ich vor ihm dran bin“, sagt Elting und lacht.
Eltings Schulzeit war zunächst nicht besonders strukturiert. „Da war mal 9 Uhr angesagt, mal 10 Uhr, manchmal waren wir schon um 11 Uhr wieder zu Hause“, erinnert er sich. Doch schließlich gab es eine Lehrerin an der Schule, „die uns auf Vordermann gebracht hat“, sagt Elting. Dann mussten die Kinder immer um 7.45 Uhr an der Schule sein. Unterrichtsbeginn war um 8 Uhr. „Das kannten wir gar nicht“, so Elting. Die Lehrerin habe den Kindern richtig Lesen und Schreiben beigebracht. Die Schultage waren dann deutlich länger. „Die Lehrerin hat gar kein Ende gekriegt“, sagt Elting.
Nach der Grundschulzeit besuchte er ein Internat in Burlo. Nach dem Abschluss der Höheren Handelsschule arbeitete er zunächst im Hähnchenbetrieb seines Vaters. Später arbeitete er bei Karstadt in Bocholt und wechselte schließlich zu Otto Mess nach Düsseldorf. „Das war der erste Supermarkt in Düsseldorf“, berichtet Elting. Als es seinen Eltern schlechter ging, übernahm seine Frau die Gaststätte seiner Eltern. Auch er half mit, arbeitete zudem als Versicherungsvertreter.
Reisebusfahrer
Später war er auch Taxifahrer, Reisebus- und Linienbusfahrer. „Als Reisebusfahrer hatte ich die schönste Zeit“, erzählt El-ting. Er fuhr unter anderem nach Rügen, Südfrankreich, Barcelona, war aber auch in den Niederlanden und Belgien unterwegs.
LIEBER EIN GUTER NACHBAR ALS EIN FERNER FREUND!
Weitere Infos auch auf: Siehe Website Heimatverein
Auf dem Foto ist die Gaststätte „Zur Post“ am Hellweg 38 zu sehen, die Konrad Eltings Mutter betrieb.