Grenze spaltete den Schützenverein
Suderwick – Dinxperlo 1963 – 2023: 60 Jahre Wiedervereinigung Suderwick
Am 1.8.2023 ist es 60 Jahre her, dass das 1949 unter niederländische Auftragsverwaltung gestellte und 14 Jahre zu Dinxperlo gehörende Suderwick-West wieder deutsch wurde.
Suderwicker und Dinxperloer Vereine erinnern gemeinsam mit Interviews, verschiedenen Aktivitäten und einem deutsch-niederländischen Noaberfest an die “Wiedervereinigung”.
Lesen Sie HIER den originalen BBV-Artikel von Daniela Hartmann:
Dank an das BBV (Bocholter Borkener Volksblatt) und Daniela Hartmann für die Veröffentlichung auf dieser Website.
Grenze spaltete den Schützenverein
Als 1949 Suderwick-West den Niederlanden zugeschlagen wurde, riss das den Bürgerschützenverein auseinander. 15 Jahre lang feierten die Schützen getrennt voneinander, trafen sich aber immer an der Grenze zum Fahnentausch…..
BOCHOLT-SUDERWICK Der Bürgerschützenverein Suderwick besteht seit 1919. In den vergangenen 104 Jahren hat der Verein einiges erlebt, darunter auch den Zweiten Weltkrieg. In der Nachkriegszeit wurde Suderwick-West am 23. April 1949 niederländisch. Die Grenzverschiebung hatte zur Folge, dass ein Dutzend Häuser mit 342 Suderwickern nun zu Dinxperlo gehörte. Das entsprach rund einem Drittel der damaligen Einwohner von Suderwick. Der Bürgerschützenverein wurde durch die Trennung Suderwicks in zwei Teile gerissen: der Bürgerschützenverein Suderwick-West und der Bürgerschützenverein Suderwick-Ost.
Prickeln statt schießen
„Die Grenze, die hier war, ist Jahrhunderte alt“, sagt Georg Kronenberg (54) vom Heimatverein. Schon um 1750 seien die Grenzsteine gesetzt worden. Erst 1949 wurde die deutsch-niederländische Grenze verändert. „Für die Anwohner wurde das noch komplizierter“, gibt Edmund Schlütter (63) von den Bürgerschützen Erinnerungen seiner Mutter wieder. „Der Bauer Klaaßen brauchte einen Pass, um zu seinen Viechern zu kommen.“ Schlütters Großvater hatte damals ein Schuhgeschäft an der St.-Michael-Kirche. Durch die Grenzverschiebung verlor er viele Stammkunden. „Wirtschaftlich wurde der starke Teil – das war ja Suderwick-West – in die Knie ge-zwungen“, berichtet Schlütter. Und Kronenberg ergänzt: „Die katholische Kirche und der Friedhof waren für die Bewohner von Suderwick-Ost plötzlich nicht mehr erreichbar.“
Das erste Schützenfest in Suderwick nach dem Zweiten Weltkrieg fand 1947 statt. Damals waren Schusswaffen strengstens verboten. Statt auf den Vogel zu schießen, mussten die Schützen den Vogel ausprickeln. Ab 1948 durften die Bürgerschützen einen Schießapparat nutzen, der von der Militärregierung genehmigt worden war. „Mittels einer Armbrust rückte man den Vogel zu Leibe“, heißt es in der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Vereins 2019, die Georg Kronenberg verfasst hat.
1949 fiel das Schützenfest wegen der Trennung Suderwicks aus. Stattdessen fand ein Tanzabend im kleinen Kreis statt. Ab 1950 gab es dann zwei Schützenvereine in Suderwick. „Beide Vereine mussten zwar getrennt feiern, gehörten verschiedenen Nationen an, dennoch blieb ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl vorhanden“, sagt Kronen-berg. Und Ehrenoberst Wilfried Ostermann (84) ergänzt: „Da war auch eine gewisse Sturheit dabei.“ Die Schützen aus Suderwick-West und -Ost liefen von 1949 bis 1963 hinter derselben Vereinsfahne, die seit jeher von der Familie A. Jansen (vormals „Gaststätte Zum deutschen Eck“) aufbewahrt wurde. An der Grenze wurde die Fahne dann ausgetauscht.
Kein Tanz am Sonntag Auf beiden Seiten der Grenze bildete traditionsgemäß ein Preisschießen – das sogenannte Fladderschießen – den Auftakt des Schützenfestes. In Suderwick-West musste der Ablauf des Schützenfestes geändert werden, weil die Niederländer am Sonntag das Tanzen verboten. „Deswegen hat man das Schützenfest im Westen verschoben auf Pfingstmontag und den darauffolgenden Dienstag“, erklärt Kronenberg. Eine weitere Schwierigkeit war für den „niederländischen“ Schützenverein, dass sich das Ehrenmal in Suderwick-Ost befand. „Der Schützenfestzug blieb am Schlagbaum stehen; er durfte nicht rüber“, berichtet Kronenberg. Nur eine Abordnung durfte die Grenze überqueren. Auch bei anderen Gelegenheiten konnte es für die Bewohner von Suderwick-West zu Problemen kommen, erzählt Schlütter: „Als die Mutter meiner Uroma gestorben ist, durfte meine Oma nicht zur Beerdigung. “ Sie habe keine Genehmigung für den Grenzübertritt bekommen.
Eine Rolle spielte in der Vergangenheit die Konfession in Suderwick. Das schlug sich teilweise auch im Schützenverein nieder. Dort gab es katholische und evangelische Mitglieder. „Ein evangelischer König musste eine katholische Königin nehmen und umgekehrt“, erzählt Oberst Willi Kastein (66). Der Schützenverein war es auch, der vor 30 Jahren den ersten ökumenischen Gottesdienst organisierte, betont Schlütter. Dagegen hätten sich die Katholiken lange gesträubt.„Aber wir haben sie davon überzeugt“, so Schlütter. Mit Pfarrer Ignaz Wigger, der von 1939 bis 1955 katholischer Pfarrer in Suderwick war, wäre das nicht möglich gewesen, sind sich die Schützen einig.
Wieder zusammengefunden
Nach der Wiedervereinigung der Vereine am 30. März 1963 war es gerne gesehen, wenn ein König aus Suderwick-West eine Königin aus Suderwick-Ost wählte oder umgekehrt, sagt Ostermann. Das sei aber nur ein, zwei Jahre so gewesen. Trotzdem habe es nach der Wiedervereinigung auch ein paar Reibereien gegeben, sagt Schlütter. Denn damals gab es 15 Leute im Vorstand des östlichen Vereins und 15 im westlichen. „Das passte ja nicht zusammen, man kann ja höchstens 20 Leute gebrauchen“, so Schlütter. Der neue Präsident wurde Albert Stolte, zuvor Präsident der Schützen West. Der bisherige Präsident Ost, Wilhelm Kronenberg, wurde spontan zum Ehrenpräsidenten gewählt, heißt es in der Festschrift des Vereins. Inzwischen haben die Bürgerschützen längst wieder zusammengefunden. Heute startet ihr Schützenfest.
LIEBER EIN GUTER NACHBAR ALS EIN FERNER FREUND!
Weitere Infos auch auf: Siehe Website Heimatverein
Foto: Beim Schützenfest 2022 marschierten die Bürgerschützen an der Grenze vorbei.